,,Jedes Werk Johann Christoph Bachs, das der Öffentlichkeit neu vorgelegt werden kann, wird das Verständnis für die Bedeutung dieses Meisters steigern. Deshalb bleibt dringend zu wünschen, dass die Handschrift … einer ,,Aria in a moll mit 15 Variationen’ die Seit längerer Zeit verschollen ist, – . wieder ans Licht käme.
Wie gross der völlige Verlust wäre, kann wohl nach Kenntnis der ,,Aria Eberliniana’ nicht zweifelhaft Sein.’ Auf den Verlust dieses im gedruckten Schrifttum seit 1873 genannten Manuskripts hatte vor C. Freyse schon M. Schneider hingewiesen, so 1935: Es ist verschwunden. Auch Abschriften waren bisher nicht aufzufinden .
Aber bereits 1907 war Schneiders Suche nach dieser Handschrift vergeblich geblieben.’…..war in Spittas Besitz und ist jetzt verschollen. Abschriften sind bisher nicht gefunden.’
Zwischen 1873 und 1907 ist das Manuskript dieser Aria a-moll im Jahr 1900 bei R. Eitner aufgeführt: ,,15 Var. über eine Aria A moll . . . Bibl. Spitta (1, 128), jetzt in Berlin Hochschule.’ In Anbetracht der Tatsache, dass Spittas Nachlass – bei Schneider (1907) mehrfach angeführt: ,,in Spittas Nachlass (Königl. Hochschule für Musik zu Berlin)’ -in der Bibliothek der Berliner Musikhochschule verwahrt wurde, ist zu vermuten, dass Eitners Fundortangabe nicht auf einer Feststellung durch Augenschein beruhte, sondern nur auf die Annahme zurückging, das Manuskript habe sich noch bei Spittas Tod (1894) in seinen Materialien befunden.
Nun vermerkte Schneider (1907, S.158) zum Manuskript einer Parallelkomposition – der ,,Aria Eberliniana’ – des-selben Komponisten: ,,Es befand sich in Nägelis Nachlass und von 1872-1889 im Besitz Philipp Spittas, der es kopierte. Diese Abschrift ist noch vorhanden.’ Mindestens für die ,,Aria Eberliniana’ ergibt sich aus dieser Mitteilung, dass das Manuskript im Jahr 1889 Spittas Bibliothek verlassen hatte.
Es liegt nahe, zu vermuten, dass auch die Aria a-moll dasselbe Schicksal erfahren hat,was nicht bedeuten muss, dass sie ebenfalls im Jahr 1889 und zusammen mit der ,,Aria Eberliniana’ den Besitzer wechselte.
Der Weg, den das Manuskript der hier erstmals in einer Veröffentlichung vorgelegten Aria damals genommen hat, lässt sich noch nicht feststellen.
Wie die ,,Aria Eberliniana’ war es Bestandteil der bedeutenden Sammlung von Hans Georg Nägeli (1773-1836) in Zürich und wurde nach dem Tod von dessen Sohn Hermann (1872) an Spitta verkauft. In den Materialien des in der Zürcher Zentralbibliothek aufbewahrten Nägli-Nachlasses ist es zweimal nachzuweisen. Einmal in einem nach 1860 angefertigten ,,Thematischen Verzeichniss ungedruckter Kompositionen der Bache und G. F. Haendel’s’ (zweitaktiges Incipit mit der Zuschrift ,,di Giovanni Cristoforo Bach’, Ms Gar XV 276 [Kat~ 4), zum anderen in einem Briefentwurf Hermann Nägelis vom 28. 3. 1863 an A. Hammer und Cie. in Wien (,,Bach, Joh. Christoph. Variationen f. Kl., 2 Hefte’; Ms Car XV 275b).
Mit anderen Manuskripten wurden hier unsere Aria und die Eberliniana ebenso zum Verkauf angeboten, wie (wohl einige Jahre später) im ,,Catalog Franz Hanke in Zürich, No. 97 MUSIKALIEN und MUSIKWISSENSCHAFT’ (5. 191, Nr. 5365 und 5366).
Als Dankgeschenk eines deutschen Mediziners an einen Zürcher Kollegen kam das Manuskript nach dem letzten Krieg – habent sua fata libelli -wieder an die Limmat zurück, wo es – hundert Jahre, nachdem es Zürich verlassen hatte – von der Zentralbibliothek erworben werden konnte.
Man darf es als Glücksfall bezeichnen, dass das lose in einen Umschlag eingelegte Manuskript von einer Verkaufsquittung von 1802 begleitet ist, weil sich aus dieser mögliche Rückschlüsse auf die frühere Geschichte der Handschriften der beiden variierten Arien ziehen lassen: ,,Siebenzehn Tha1er 4 gl vor versteigerte Bücher, sind mir durch den hh:
Auctions Commissarius Sonin Hochedelgebh richtig gezahlet worden, welches ich hiermit bescheinige, Berlin den 3üten August 1802. Johann Christian Bach.’ Dieser Johann Christian, ein Sohn von Georg Michael Bach (1701-1777), lebte 1743-1814 in Halle und war dort als der ,,ClavierBach’ bekannt. Ihm hatte Wilhelm Friedemann Bach das Manuskript des von Johann Sebastian geschriebenen Klavierbüchleins für Wilhelm Friedemann geschenkt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass Friedemann seinem entfernteren Vetter nicht nur das Klavierbüchlein, sondern mit ihm auch andere Manoskripte (u. a. die beiden Arien) geschenkt hat, die mindestens zum Teil dem Altbachischen Archiv zugehört haben dürften.
Schon für die Aria Eberliniana hatte Freyse diese Herkunft vermutet; durch J. Chr. Bachs Ouittung gewinnt diese Vermutung für beide Variationenwerke noch grössere Wahrscheinlichkeit.
Die Manuskripte der Aria a-moll und der Eberliniana sind beide von derselben Hand geschrieben. Dabei dürfte es sich um den Hauptschreiber der Möllerschen Handschrift und des Andreas-Bach-Buches handeln, der jedoch bisher noch nicht identifiziert ist.
Lässt sich so die Niederschrift unseres Manuskripts zeitlich nicht genauer fixieren – sie ist vermutlich vor 1715 erfolgt -, so darf man die Entstehung des Werkes wohl in allernächste Nähe zu der mit März 1690 datierten Aria Eberliniana setzen.
Die vorliegende Ausgabe hält sich so weit wie möglich notengetreu an den Text der Vorlage.
Offensichtliche Schreibfehler wurden beseitigt, das im C-Schlüssel notierte obere System in den G-Schlüssel gesetzt, die Verteilung der Stimmen auf die beiden Hände mehrfach geändert, die Verwendung der Versetzungszeichen dem heutigen Gebrauch angepasst.